Zwischenbilanz zur Eurasier-Zucht

50-Jahre Eurasier-Zucht

Sicher gibt dieses runde Jubiläum in diesem Jahr Anlass, diese junge, immer noch faszinierende Hunderasse gebührend zu feiern.

Gleichzeitig wird es aber angesichts eines solchen Termins wichtig den bisherigen Weg dieser Rasse zu verfolgen, zu überdenken und „Inventur“ in der Eurasier-Zucht zu machen.

Da man in Veröffentlichungen zu diesem Thema nur ganz wenige Ansätze (1; 2) findet, galt es für uns von PRO EURASIER prinzipielle  Überlegungen anzustellen, die für das weitere Vorgehen in unserer Zucht nun Wegweiser darstellen.

Die Zielrichtung kann nur weiterhin der gesunde, langlebige Eurasier mit dem der heutigen Umwelt angepasstem Verhalten sein (3).

Beschränkte sich in der Vergangenheit die Aufmerksamkeit verstärkt auf Hüftgelenksdysplasie und relativ wenige andere Erkrankungen, betrachtet man durch immer mehr differenzierteres Wissen und Kenntnisse zu Erkrankungen bei Hunden deren Gesundheit mit noch größerer Aufmerksamkeit.

Wir  dürfen dabei nicht dem Irrtum verfallen, früher sei alles besser gewesen. So werden Ursachen verschiedener Erkrankungen, zum Beispiel Allergien oder Stoffwechselanomalien, wie wir sie auch beim Menschen kennen, in Bezug auf Ursachen und Ausprägung als immer vielschichtiger erkannt (4).

Durch bessere Ursachenforschung und vermehrtes Wissen fallen uns Veränderungen auch bei unseren Eurasiern stärker auf, bzw. werden bewusster erkannt. Auch die diagnostischen Möglichkeiten lassen heute deutlich mehr erkennen als früher(4).

So stellt sich zwangsläufig die Frage, ob bisherige oder heutige Zuchtstrategien noch angemessen sind, oder ob es hier Korrekturbedarf gibt (5;6).

Macht es Sinn, die Selektionsmaßnahmen parallel mit der Zunahme des Wissens zu verstärken?

Doch mit welchem Recht soll man Eurasier aus der Zucht nehmen, deren gesundheitliche Abweichung von der Norm so gering ist, dass diese kaum negative Folgen für den betroffenen Hund hat. Dies vor Allem vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation,

  • dass die Eurasier-Population in verschiedene Teilpopulationen aufgespalten ist, deren Zusammenführung derzeit noch vor scheinbar unüberwindbaren Hürden steht. Damit wird eine große Chance zur genetischen Variabilität unserer Eurasier vertan, die nachweislich der Gesunderhaltung dient;
  • dass in der Rassehundezucht das Einkreuzen verwandter Rassen auf erheblichen Widerstand stößt, obwohl bereits vor dem Jahr 2000 Populationsgenetiker und ernst zu nehmende Autoren (z. B. Wachtel in „Zucht 2000“ (7;8)) dringend auf die Möglichkeit dieser Öffnung zur Verbesserung von Gesamtpopulationen hingewiesen haben.  Diverse Dachverbände schließen in ihren Rahmensatzungen und -zuchtordnungen diese Möglichkeiten ganz aus oder lassen sie nur sehr eingeschränkt zu;
  • dass es kaum einheitliche Prioritätenlisten gibt, die als Auswahlkriterien den Leidensdruck des Eurasiers und damit seines Besitzers in den Vordergrund stellen. Es macht einen deutlichen Unterschied, ob dem Eurasier ein paar Prämolaren fehlen; er einen weißen Brustfleck hat, oder z.B. einen gesunden Vater aus einer der Ausgangsrassen (leider verächtlich damit als Mischling gebrandmarkt) besitzt
    - oder ob er schon als junger Hund eine gravierende Einschränkung seines Gesundheitszustandes hinnehmen muss.

Was ist zu tun? Was werden wir tun?

Aus grundsätzlichen Überlegungen haben wir 2010 zwei wesentliche Schritte in diesem Jahr auf den Weg gebracht:

  1. Seit 2010 werden alle Pro Eurasier-Welpen nur noch DNA-zertifiziert an ihre Neubesitzer übergeben. (Antrag der Züchterversammlung Meckenheim vom 03./04.10.2009)
  2. Wir verzichten bis auf Weiteres, die Mitgliedschaft in einem größeren oder kleineren Dachverband anzustreben. (Beschluss  der Mitgliederversammlung Nümbrecht  vom 11.07.2010)

Was hat nun das Eine mit dem Anderen zu tun?

War es von Anfang an unser Ziel mit Fachleuten aus der Wissenschaft zusammen zu arbeiten, wurden wir auf das Projekt der DNA-Zertifizierung bei den Spitz-Freunden aufmerksam und konnten anlässlich einer Züchterversammlung der Spitzfreunde Frau PD Dr. Ina Pfeiffer persönlich kennenlernen. Ihr dort vorgestelltes Konzept überzeugte uns sofort. Ermöglicht diese DNA-Zertifizierung bereits heute eine Fülle von Anwendungen, wird sie unseren Eurasiern in Zukunft ungeahnte Chancen eröffnen.

Unabhängige Feststellung an DNA-Satelliten unserer Hunde führen zu einer Datensammlung, die wir bei verschiedenen Fragestellungen heute und in Zukunft nutzen können. Von der individuellen Klärung auftretender Erkrankungen und deren Veranlagung  über den tatsächlichen Verwandtschaftsgrad unserer Hunde bis zur Erstellung eines Populations-Clusters zur Dokumentation der Variabilität unserer Population haben wir ein Instrument in der Hand, dessen weitreichende Möglichkeiten heute bereits erkennbar sind, dessen zukünftiger Nutzen aber noch gar nicht absehbar ist.  (Weitere Informationen unter:  DNA-Zertifizierung  Methodik und deren Möglichkeiten in der Rassehundezucht)

Damit wird in Zukunft eine Zuchtempfehlung über die berechenbaren Zahlen wie IZK und AVK hinausgehen. Jeder, der die Mechanismen der Keimzellenbildung kennt, weiß um den Schätzwert-Charakter dieser Daten.

Erst ein DNA-Vergleich lässt  konkrete Aussagen zur realen Verwandtschaft der Paarungspartner zu.

Im Zuge der Einkreuzung von Tieren geeigneter verwandter Rassen oder der Ausgangsrassen – wie bereits im vergangenen Jahr erfolgt – haben wir damit ein Instrument die Nachkommen dieser Eurasier gezielt zu verfolgen.

Auf die Mitgliedschaft in einem Dachverband – allen voran der im VDH – verzichten wir, da sie uns keine ersichtliche Unterstützung, sondern eher Nachteile auf dem Weg unserer Zucht und -verfahren bringt. Ein großer Teil von Eurasiern fiele der derzeitigen Ausgrenzung durch diesen Verband zum Opfer; die gezielte Suche nach geeigneten Vertretern der Ausgangsrassen ebenso. Man verfolge zum Beispiel die dortige Rasseentwicklung des Chow-Chow. Man wird in der Regel dort kaum einen Vertreter finden, der die Kriterien einer Einkreuzung für den Eurasier erfüllt.

Man beobachte den Stellenwert der Ausstellungsergebnisse für die Zucht in diesen Reihen, das hat mit verantwortungsbewusster Zucht-Wahl nicht mehr viel gemeinsam.

Wir werden eigenverantwortlich – vor dem Hintergrund einer wissenschaftlichen Überprüfung unserer Zuchtergebnisse – pro Eurasier arbeiten.

Einem Dachverband beizutreten, dessen Leistung sich auf Ausstellung von Ahnennachweisen beschränkt, halten wir nicht sinnvoll.

Die Regeln internationaler Zuchtbuchführung sind uns bekannt. Dass wir in der Lage sind, verantwortungsvolle Ausbildung von Züchtern, Zuchthelfern, Zuchtwarten und Zuchtrichtern durchzuführen, haben wir in der Vergangenheit hinlänglich bewiesen.

Bleibt abzuwarten, ob und wie sich in Zukunft, durch Eingreifen des Kartell-Amtes, die derzeitige Situation der Rassehundezucht verändern wird. Eine zwingend notwendige Zusammenführung aller verantwortungsbewussten Züchter und Zuchtvereine unter Ausgrenzung „profitorientierter Vermehrer“ würde eine sinnvolle Zusammenarbeit im Sinne der Gesunderhaltung unserer Rassehunde ermöglichen.

So findet man die guten Ansätze verantwortungsvoller Verbesserung von Qualzuchteigenschaften bestimmter  Rassen durch Einkreuzen geeigneter Vertreter anderer Rassen derzeit eher außerhalb des VDH. (z.B. Retro-Mops (9)) Sinnvolle Anträge innerhalb des VDH zur Einkreuzung einer anderen Rasse zwecks Gesundheitsverbesserung werden derzeit unverständlicherweise vom zuständigen Gremium des VDH blockiert (siehe Nova Scotia Duck Tolling Retriever (10))

Auch in den Eurasier-Reihen gab es Einkreuzungen, so z.B. die einer sorgfältig ausgewählten, importierten kaukasischen Chow-Chow-Hündin (11) und einzelner Vertreter ausgesuchter Lapp-Hunde (12), diese Aktivitäten fanden außerhalb des VDH statt, damit standen diese Nachkommen der F.C.I.-Eurasier-Population offiziell nicht zur Verfügung. Dabei hätten sie geplant eingesetzt, populationsgenetisch sinnvoll wirken können.

Auch in den VDH-Vereinen gab es immer wieder vereinzelt Einkreuzungen von Hunden verwandter Rassen oder mit Tieren der Ausgangsrassen. So entschied sich bereits sehr früh Julius Wipfel in der KZG für den Einsatz zweier Wolfsspitze und eines Island-Spitzes. Man registrierte eine Eurasier-Hündin aus nicht VDH-Zucht mit Samojeden-Vater und es kam zu einem Sturm im Wasserglas.
Im EKW entstand die „Unland-Linie“ durch Aktivitäten einer einzelnen Züchterin, später ließ man sich einen Wolfsspitz-Rüden aus den Reihen des Vereins für Dt. Spitze empfehlen, dessen Qualität für den Einsatz sich offenbar durch erworbene CACIB-Anwartschaften(!) und somit als Multichampion erklärte. In der ZG kam ein Chow-Chow zum Einsatz, danach griff man auf den Chow-Chow eines Nachbarn zurück, da  man die Menschenfreundlichkeit der Samojedenabkömmlinge nicht tolerierte.

Alle diese Einsätze blieben auf vereinzelte Würfe beschränkt, nur wenige Nachkommen kamen zur Weiterzucht. Auch hier – wie außerhalb des VDH – fehlte eine wohlüberlegte Koordination und der übergreifende Einsatz ausgesuchter Nachkommen, die einen längerfristigen Erfolg für die Gesamt-Eurasier-Population gebracht hätten.

Aus all diesen Versuchen lässt sich erkennen, was vielen Verantwortlichen immer schon bekannt gewesen sein muss.  Eine Rasse, die aus wenigen Gründertieren aufgebaut wurde, deren Nachkommen in der Regel alle auf diese zurückgehen, trägt trotz des anfänglichen Heterosiseffektes ohne weitere Öffnung der Zuchtbücher ein Gefahrenpotential in sich.

Nehmen wir also die Zeichen der Zeit ernst. Erkennen wir die deutlichen Probleme der Rassehunde-Zucht (13) , Initiative Dortmunder-Appell (14) und warten nicht ab, bis es - wie in anderen Rassen - beim Eurasier fünf vor Zwölf ist.

In einer Zeit, die uns hilfreich die Molekulargenetik (4;15;16;17) an die Hand gibt, deren Erfolge nach kompletter Identifizierung des Hundegenoms sich darauf konzentriert weltweit nach den Anlagen diverser Erbkrankheiten zu suchen, sollten wir als Anhänger der Rassehundezucht nicht einem unerklärlichen Rassewahn mit den bekannten Folgen verfallen. Hätten maßgebliche Züchter der ersten Stunde so gedacht, gäbe es den Eurasier heute nicht!

Für unser Zuchtgeschehen und im Allgemeinen lässt sich festhalten:

Profitieren wir von Erkenntnissen der klassischen Rassehundezucht, nehmen wir die warnenden Hinweise der Populationsgenetiker ernst und öffnen wir uns den Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Damit ersparen wir uns spätere Vorwürfe, wir hätten es besser wissen müssen!

Verantwortungsvolle Rassehundezucht hängt nicht von Namen, Siegel und „Papieren“ bestimmter Organisationen ab, sondern von der gelebten Verantwortung jedes Einzelnen, der sich das Wohlergehen des ältesten Haustieres, des Mitgeschöpfs Hund zur uneigennützen Aufgabe gemacht hat.

Dass hier ein kompetentes Gremium unter Hinzuziehung von Fachleuten übergreifende Arbeit für alle Eurasier leisten sollte, wird wohl vorerst eher ein Traum bleiben.

Nimmt aber eine kluge Zusammenarbeit aller ernsthaft am Eurasier Interessierten durch Auseinandersetzung und Nutzung wissenschaftlich gesicherter Methoden einen immer größeren Raum ein, wird sich die moderne Eurasier-Zucht vielleicht mit weniger Emotionen, dafür jedoch mit sachbezogenen Kenntnissen erfreulich erfolgreich weiterentwickeln können.

Monika Guhrmann
(Zuchtleiterin Pro Eurasier)